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Versicherungsvermittler: Beratungs- und Dokumentationspflichten beim Abschluss von Versicherungsverträgen

von Dirk Schäfer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht

1. Einführung
Versicherung ist Vertrauenssache. Fehlerhafte Beratung kann zu erheblichen Nachteilen und konkreten Schäden führen. Um sich nicht nur auf den eigenen subjektiven Eindruck verlassen zu müssen, sind in der Versicherungsvermittlerverordnung (VersVermV) und im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) fachliche Mindeststandards eingeführt worden, die jedoch nur soweit nutzen, wie sie von allen Beteiligten auch verantwortungsbewusst praktiziert werden.

2. Erfasster Personenkreis
Versicherungsvermittler sind Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler (§ 59 Abs. 1 VVG), sowie Versicherungsberater (§ 59 Abs. 4 VVG).

2.1 Versicherungsvertreter
Versicherungsvertreter (früher Versicherungsagenten) sind Personen, die aufgrund vertraglicher Bindungen an einen Versicherer oder an einen anderen Versicherungsvertreter damit beauftragt sind, gewerbsmäßig Versicherungsverträge zu vermitteln oder abzuschließen (§ 59 Abs. 2 VVG). Dies kann als Gelegenheits-, Unter- oder Mehrfachvertreter geschehen. Die Vergütung erfolgt durch den Versicherer, in der Regel auf Erfolgsbasis für den Abschluss und die Verlängerung von Versicherungsverträgen.

2.2 Versicherungsmakler
Versicherungsmakler sind Personen, die gewerbsmäßig und aufgrund vertraglicher Bindungen an den Versicherungsnehmer für diesen die Vermittlung oder den Abschluss von Versicherungsverträgen übernehmen, ohne von einem Versicherer oder einem Versicherungsvertreter damit betraut zu sein (§ 59 Abs. 3 S. 1 VVG). Als Versicherungsmakler gelten auch die Personen, die sich als solche bezeichnen (Pseudomakler, § 59 Abs. 3 S. 2 VVG). Die Vergütung erfolgt in der Regel durch den jeweiligen Versicherer bei Abschluss oder Verlängerung von Versicherungsverträgen. Der Makler kann darüber hinaus mit der Regulierung von Versicherungsfällen und dem Prämieneinzug beauftragt sein.

2.3 Versicherungsberater
Versicherungsberater sind Personen, die gewerbsmäßig Dritte bei der Vereinbarung, Änderung oder Prüfung von Versicherungsverträgen oder bei der Wahrung von Ansprüchen im Versicherungsfall beraten oder gegenüber dem Versicherer außergerichtlich vertreten, ohne vom Versicherer einen wirtschaftlichen Vorteil zu erhalten oder in anderer Weise von ihm abhängig zu sein (§ 59 Abs. 4 VVG). Die Vergütung erfolgt durch den Versicherungsnehmer. Die Versicherungsberater sind hinsichtlich der Beratungs- und Dokumentationspflichten dem Versicherungsmakler weitgehend gleichgestellt (§ 68 VVG).

3. Erlaubnispflicht für gewerbliche Versicherungsvermittlung
Wer gewerbsmäßig als Versicherungsvermittler tätig werden will, bedarf einer Erlaubnis der zuständigen Industrie- und Handelskammer (§ 34d Abs. 1 GewO) und der Eintragung in das zentrale Vermittlerregister. Dafür ist u. a. erforderlich persönliche Zuverlässigkeit, geordnete Lebensverhältnisse, eine Berufshaftpflichtversicherung und eine Sachkundeprüfung (§ 1 ff. VersVermV).

Für die Eintragung in das Vermittlerregister hat der Vermittler anzugeben, ob er als Vertreter oder Makler tätig wird (§§ 34d Abs. 7, 11a Abs. 1 GewO; §§ 5 ff. VersVermV).

Die Berufshaftpflichtversicherung des Vermittlers muss über eine Mindestversicherungssumme von 1 Mio € pro Schadenfall und 1,5 Mio € pro Versicherungsjahr abgeschlossen werden (§ 34d Abs. 2 Nr. 3 GewO; §§ 8 ff. VersVermV).

4. Informationspflichten über den Status des Vermittlers
Beim ersten Geschäftskontakt hat der Versicherungsvermittler dem Kunden in Textform Informationen über seinen beruflichen Status mitzuteilen u. a., ob er als Versicherungsvertreter oder Versicherungsmakler tätig wird, Anschrift und Nummer der Registrierungsstelle und Anschrift der Schlichtungsstelle bei Streitfällen (§ 11 VersVermV).

5. Beratungsgrundlagen des Vermittlers
Grundlagen und Umfang der geschuldeten Beratung hängen von der beruflichen Stellung des Vermittlers ab.

5.1 Versicherungsvertreter
Der Versicherungsvertreter hat anzugeben, für welchen Versicherer oder welche Versicherergruppe er tätig ist (§ 60 Abs. 2 VVG).

Der Versicherungsvertreter ist nach dem Gesetz umfassend bevollmächtigt, für den Versicherer zu handeln sowie Erklärungen und Zahlungen entgegenzunehmen. Er ist "Auge und Ohr" des Versicherers. Die Kenntnis des Versicherungsvertreters steht der Kenntnis des Versicherers gleich, soweit der Versicherungsvertreter nicht offensichtlich seine Kompetenzen überschreitet. Der gesetzliche Umfang der Vollmacht des Versicherungsvertreters kann nicht durch Allgemeine Versicherungsbedingungen gegenüber dem Versicherungsnehmer oder Dritten beschränkt werden (§§ 69 ff. VVG).

5.2 Versicherungsmakler
Der Versicherungsmakler ist verpflichtet, seinen Rat auf der Grundlage einer ausreichenden Zahl von auf dem Markt verfügbaren Versicherungsangeboten (objektiv ausgewogene Marktuntersuchung) so zu erteilen, dass der Versicherungsnehmer nach fachlichen Kriterien eine bedarfsgerechte Entscheidung treffen kann (§ 62 Abs. 1 VVG). Erteilt der Versicherungsmakler seinen Rat auf der Grundlage einer eingeschränkten Auswahl von Versicherern und Versicherungsverträgen, muss er die berücksichtigten Versicherer konkret benennen. Der Versicherungsmakler ist als Sachwalter des Versicherungsnehmers verpflichtet, diesem den bestmöglichen Versicherungsschutz auszuwählen. Inhalt und Umfang der Betreuungspflicht des Maklers richten sich nach dem geschlossenen Maklervertrag. Sie besteht auch nach Abschluss des Versicherungsvertrages fort.

Durch gesonderte schriftliche Erklärung kann der Versicherungsnehmer auf die Mitteilung dieser Informationen verzichten (§ 60 Abs. 3 VVG).

6. Beratungs- und Dokumentationspflichten des Vermittlers 
Der Versicherungsvermittler hat den Versicherungsnehmer nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen, zu beraten und Gründe für den erteilten Rat anzugeben. Die Beratung ist in Textform zu dokumentieren und vor Abschluss des Vertrages zu übermitteln (§§ 61 Abs. 1, 62 Abs. 1 VVG; Ausnahme § 66 VVG).

Der Versicherungsnehmer darf, nach ausdrücklicher Belehrung über die Auswirkungen, durch gesonderte schriftliche Erklärung auf die Dokumentation der Beratung verzichten (§ 61 Abs. 2 VVG).

7. Dokumentationspflichten des Versicherers
Ergänzend hat auch der Versicherer vertragsbezogene Beratungs- und Informationspflichten zu erfüllen, die an dieser Stelle jedoch nicht vertieft werden sollen (§§ 6, 7 Abs. 1 VVG, VVG-Informationspflichtenverordnung).

8. Nachfrage- und Kontrollpflichten des Versicherungsnehmers
Der Versicherungsnehmer sollte die vom Gesetz angebotenen Beratungs- und Dokumentationsrechte auch tatsächlich in Anspruch nehmen und nicht auf sie verzichten. Ergänzend ist eine aktive Vorbereitung auf Beratungsgespräche und die aktive Nachfrage erforderlich, wo in den Bedingungen die für den Versicherungsnehmer wichtigen Regelungen enthalten sind.

Der Versicherungsnehmer trägt die inhaltliche Verantwortung und die Beweislast für die Abgabe und den Inhalt seiner Willenserklärungen, insbesondere für den Versicherungsantrag und die Widerrufs- oder Kündigungserklärung (§ 69 Abs. 3 S. 1 VVG). Er muss deshalb auf die korrekte Dokumentation seiner Erklärungen bestehen.

Der Versicherungsnehmer muss sich auch mit den wesentlichen Grundlagen des jeweiligen Versicherungsvertrages befassen, wozu auch das Lesen der Versicherungsbedingungen und der Vergleich zwischen Antrag und späterem Versicherungsschein gehören. Nur so kann der Versicherungsnehmer sicher sein, die ihm wichtigen Risiken interessengerecht versichert zu haben.

9. Rechtsfolgen bei fehlerhafter Beratung
Der Versicherungsvermittler ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der dem Versicherungsnehmer durch Verletzung der Beratungs- und Dokumentationspflichten entsteht (§ 63 VVG). Der Versicherungsnehmer muss als Anspruchsteller jedoch die Pflichtverletzung darlegen und beweisen.

Der Versicherungsvertreter haftet, gesamtschuldnerisch mit dem Versicherer, für Fehler bei der Beratung und dem Abschluss des Versicherungsvertrages.

Der Versicherungsmakler haftet, wenn er seine Pflichten als Sachwalter des Versicherungsnehmers verletzt, also Beratungsfehler bei der Auswahl des geeigneten Versicherungsschutzes oder bei der Betreuung des Versicherungsbestandes begeht.

Zur außergerichtlichen Beilegung von Streitigkeiten von Verbrauchern (§ 13 BGB) mit Versicherern und Versicherungsvermittlern ist nach § 214 VVG eine Schlichtungsstelle eingerichtet. Nähere Einzelheiten regeln die Verfahrensordnung des Versicherungsombudsmanns (VomVO), das Statut des Ombudsmanns Private Kranken- und Pflegeversicherung (Stat) und die Verfahrensordnung für Beschwerden im Zusammenhang mit der Vermittlung von Versicherungsverträgen (VermVO). Das Verfahren ist für Versicherungsnehmer unentgeltlich, sofern die Beschwerde nicht offensichtlich missbräuchlich war (§ 215 Abs. S. 2 VVG).

Für die gerichtliche Klärung von Streitigkeiten zwischen Versicherungsnehmer und Versicherungsvermittler oder Versicherer ist das Wohnsitzgericht des Versicherungsnehmers zuständig (§ 215 Abs. 1 VVG).

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